Verlust des Geruchssinnes bei Parkinson

Verlust des Geruchssinnes bei Parkinson

Bei über neunzig Prozent der Parkinson-Patienten ist eine Beeinträchtigung des Geruchssinnes das erste Symptom. Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsstelle für Molekulare Neurogenetik in Frankfurt und der neuseeländischen Universität von Auckland haben die Veränderungen im Geruchssystem gesunder und an Parkinson erkrankter Personen analysiert und ihre Ergebnisse in der renommierten Zeitschrift Brain veröffentlicht.

Geruchssinn: An den Wurzeln der Gehirnentwicklung

Der Geruchssinn ist unsere ursprünglichste Wahrnehmung. Seine Rezeptoren stehen in unmittelbarem Kontakt mit Substanzen, die sich in der Flüssigkeit der Nasenschleimhaut gelöst als Reiz wahrnehmen lassen. Für unsere Vorfahren wie das Lanzettfischchen Branchiostoma war Riechen überlebenswichtig, denn es wies den Weg zur Nahrung. Unsere beiden den Aspekt des Gehirns dominierenden Großhirn-Hemisphären sind eine Weiterentwicklung des archaischen Riechhirns.

Verglichen mit unseren tierischen Verwandten ist das menschliche Geruchssystem nur schwach ausgeprägt. Umfasst die Riechschleimhaut eines Hundes noch rund 150 Quadratzentimeter, kommt der Mensch gerade mal auf fünf Quadratzentimeter.

Wie kommen die Signale aus der Nase ins Gehirn?

Die vier pfenniggroßen Areale der Riechschleimhaut sitzen im Mittelabschnitt der oberen Nasenmuschel und in der oberen Nasenscheidewand. Mit feinen Ausläufern (Zilien) ragen die Riechköpfchen der Sinneszellen in die Schleimschicht hinein und nehmen dort gelöste Substanzen wahr.

Ihre elektrischen Signale schicken die Riechzellen über lange Ausläufer (Axone) durch die knöcherne Siebbeinplatte auf der Unterseite der vorderen Schädelgrube ins Schädelinnere. Dort filtern spezielle Nervengeflechte, die Glomeruli olfactorii, der beiden Riechkolben (Bulbi olfactorii) die Informationen vor und leiten sie über Büschelzellen und Mitralzellen zum olfaktorischen Cortex der Großhirnrinde weiter, der sie zur Geruchsempfindung verarbeitet [2].

Morbus Parkinson und der Verlust des Geruchssinnes

Dass Parkinson häufig lange Zeit vor den ersten motorischen Störungen mit einer Beeinträchtigung des Riechvermögens beginnt, weiß man schon seit 1975 [3]. Seit einigen Jahren gehen Wissenschaftler sogar davon aus, dass dieser Geruchsverlust ursächlich mit der Entstehung von Parkinson zusammenhängt [4,5]. Ein nach wie vor strittiges Pathogen (Viren, Bakterien, Metalle, Herbizide) soll über die Riechschleimhaut ins Gehirn vordringen und dort die für Parkinson typischen Veränderungen veranlassen. Dazu gehört die Ablagerung von fehlgefalteten α-Synuclein in Lewy-Körperchen. Die ersten davon erscheinen in den Riechkolben, lange bevor sie im Gehirn auftreten [6].

Ein schwieriges Untersuchungsobjekt

Wie sich diese Vorgänge gestalten lässt sich am Patienten nur schwer untersuchen. Experimente verbieten sich aus ethischen Gründen und die anatomischen Verhältnisse bei Tieren sind wesentlich anders als beim Menschen. Zudem ist das menschliche Geruchssystem aufgrund des höheren Lebensalters wesentlich länger Schadstoffen ausgesetzt. Daher kann man nicht überprüfen, ob solche Veränderungen sich auf den Alterungsprozess oder auf die längere Exposition gegenüber Umwelteinflüssen zurückführen lassen.

Untersuchungen an den Riechkolben von Körperspendern

Daher haben Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsstelle für Molekulare Neurogenetik in Frankfurt und der Universität von Auckland die Riechkolben von Körperspendern mit und ohne Parkinson post mortem untersucht.

Dazu färbten sie die Glomeruli olfactorii und fehlgefaltetes α-Synuklein in mikroskopischen Schnitten mithilfe spezieller Fluoreszenzfarbstoffe immunhistologisch an. Mit einer speziellen Software führten sie anschließend eine dreidimensionale Rekonstruktion der Anfärbungen in den Riechkolben durch. So konnten sie Veränderungen in der Struktur und der Verteilung der Glomeruli sowie Ansammlungen von α-Synuklein in Lewy-Körperchen sichtbar machen.

Bahnbrechend bei diesem Verfahren ist, dass es die Bestimmung des Gesamtvolumens der Glomeruli anhand der Bildpunkte ihrer Fluoreszenz erlaubt, des global glomerular voxel volume (GGVV). Voxel bezeichnet die Bildpunkte (Pixel) in einem dreidimensionalen Raum bei einer solchen dreidimensionalen Darstellung. Sie ermöglichen eine Quantifizierung, obwohl ein Zählen der Strukturen nicht machbar ist.

Bei Parkinson nimmt das Volumen der Glomeruli dramatisch ab

Beim Vergleich der Riechkolben von gesunden und an Parkinson erkrankten Personen stellte sich heraus, dass das Gesamtvolumen der Glomeruli olfactorii bei Parkinson nur noch halb so groß war wie im Normalfall. Zudem zeigte sich, dass sie in den Bulbi anders verteilten: Während bei Gesunden im unteren Teil der Riechkolben die Glomeruli etwa 70 Prozent der Masse ausmachen, belief sich ihr Anteil bei Parkinson-Patienten nur noch auf 44 Prozent. Möglicherweise ist das ein weiterer Hinweis auf Umwelteinflüsse, denn der untere Teil der Bulbi ist der Nasenschleimhaut näher und dadurch Schadstoffen eher ausgesetzt.

Auch bei den Lewy-Körperchen aus fehlgefaltetem α-Synuklein zeigten sich Veränderungen zwischen gesunden und erkrankten Spendern. Je mehr Lewy-Körperchen vorhanden waren, desto geringer fiel das Gesamtvolumen der Glomeruli aus. Das bedeutet, dass die Anzahl der Glomeruli abnimmt oder diese kleiner werden. Somit ist nicht auszuschließen, dass die Bildung der Lewy-Körperchen verantwortlich für einen solchen Rückgang ist.

Was bringt uns diese Erkenntnis?

Als nächstes will sich das Forscherteam anschauen, welche der Zellen des Riechkolbens sich zuerst verändern und ob die Verminderung des global glomerular voxel volume auf weniger oder auf kleinere Glomeruli zurückzuführen ist.

Nach wie vor bleibt die wohl spannendste Frage, welche Noxen die Fehlfaltung des α‑Synukleins und die veränderte Struktur und Verteilung der Glomeruli auslösen. Findet man diese Ursachen, erscheint sogar eine Vorbeugung gegen Parkinson möglich.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

Besprochene Publikation:

  1. Zapiec B, Dieriks BV, Tan S, Faull RLM, Mombaerts P, Curtis MA:
    A ventral glomerular deficit in Parkinson’s disease revealed by whole olfactory bulb reconstruction.
    Brain. 2017 Oct 1;140(10):2722-2736. doi: 10.1093/brain/awx208. PMID: 28969383. PDF>>.
  1. Alfred Benninghoff (Begründer), Detlev Drenckhahn (Herausgeber):
    Anatomie, Makroskopische Anatomie, Embryologie und Histologie des Menschen.
    16. Auflage. München 2004: Urban & Fischer/Elsevier-Verlag.
  1. Ansari KA, Johnson A:
    Olfactory function in patients with Parkinson’s disease.
    J Chronic Dis. 1975 Oct;28(9):493-7.
  1. Braak H, Rüb U, Gai WP, Del Tredici K:
    Idiopathic Parkinson’s disease: possible routes by which vulnerable neuronal types may be subject to neuroinvasion by an unknown pathogen.
    J Neural Transm (Vienna). 2003 May;110(5):517-36. Review.
  1. Braak H, Ghebremedhin E, Rüb U, Bratzke H, Del Tredici K:
    Stages in the development of Parkinson’s disease-related pathology.
    Cell Tissue Res. 2004 Oct;318(1):121-34. Epub 2004 Aug 24. Review.
  1. Del Tredici K, Rüb U, De Vos RA, Bohl JR, Braak H:
    Where does parkinson disease pathology begin in the brain?
    J Neuropathol Exp Neurol. 2002 May;61(5):413-26.