Mit Ultraschall gegen Parkinson

Am Universitätsklinikum Bonn haben Neurologen, Neurochirurgen und Radiologen ein Gerät in Betrieb genommen, mit dem sich gezielt jene winzigen Hirnbereiche ausschalten lassen, die für das Zittern bei Morbus Parkinson und essenziellem Tremor verantwortlich sind. Es arbeitet mit gebündelten Ultraschallwellen und ist eine Alternative zur operativen tiefen Hirnstimulation.

Parkinson-Tremor und essenzieller Tremor

Tremor bezeichnet medizinisch ein Zittern. Parkinson-Patienten leiden an diesem typischen Symptom bereits im Ruhezustand, während Menschen mit sogenanntem essenziellen Tremor zu zittern beginnen, wenn sie Bewegungen ausführen wollen. „Essenziell“ ist eine Umschreibung der Tatsache, dass die medizinischen Gründe für eine Erkrankung nicht bekannt sind. Einem essentiellem Tremor fallen sämtliche feinmotorischen Bewegungen wie die Bewegungen der Hände beim Essen, Trinken oder Schreiben zum Opfer. Bei Morbus Parkinson zittern die Hände, ohne dass die Patienten so etwas überhaupt beabsichtigen.

In allen Fällen beeinträchtigt eine solche Bewegungsstörung die Lebensqualität eines Menschen erheblich. Bisweilen kann man die schlimmsten Anzeichen medikamentös mildern, aber es gibt zahlreiche Fälle, in denen Medikamente keinen oder nur geringen Erfolg erzielen. Dann spricht man von einem therapieresistenten Tremor.

Draht im Gehirn: Die tiefe Hirnstimulation

Die tiefe Hirnstimulation ist eine Behandlungsmethode, die solche therapieresistenten Bewegungsstörungen zwar nicht dauerhaft zu heilen, aber deutlich und lange anhaltend zu bessern vermag. Man spricht umgangssprachlich von einem Hirnschrittmacher. Er ist nicht für alle Patienten mit Tremor geeignet, zumal die Platzierung einen erheblichen gehirnchirurgischen Eingriff erfordert.

Für einen solchen Eingriff nimmt der Chirurg eine Trepanation vor. Das bedeutet, er bohrt ein oder zwei Löcher in die Schädeldecke. Durch diese führt er Elektroden in eine oder beide Gehirnhälften ein. Zur millimetergenauen Platzierung geschieht dies unter Computertomographie (CT) oder Kernspintomographie/Magnetresonanztomographie (MRT).

Dem Patienten führt man diese Elektroden in die schwarze Substanz (Substantia nigra), das Pallidum (Globus pallidus internus, GPI) des Zwischenhirns (Diencephalon) oder den Nucleus ventralis intermedius (VIM), einen Kern des Thalamus, ein.

Auch wenn dieser Eingriff wenig verlockend klingt, nimmt man ihn unter nur örtlicher Betäubung vor. So kann man austesten, ob an die Elektroden gesendete elektrische Signale den gewünschten Effekt haben und die Lage gegebenenfalls korrigieren.

Erst danach findet unter Vollnarkose und Beobachtung mit bildgebenden Verfahren die endgültige Platzierung der Elektroden statt. Über Kabel unter der Haut verbindet man sie mit dem Steuergerät des Hirnschrittmachers (Neurostimulator), das ähnlich wie ein Herzschrittmacher in einer Hauttasche unterhalb des Schlüsselbeins implantiert wird. Dieses Gerät gibt elektrische Pulse ab, die die Zielregion je nach Frequenz stimulieren oder inhibieren.

Alternativen zur tiefen Hirnstimulation

Die beschriebene Operation klingt schlimmer als sie ist. Trotzdem hantiert kein Chirurg gerne im Gehirn herum, vom Patienten ganz zu schweigen. Daher wäre es begrüßenswert, wenn sich ähnliche positive Effekte auf den Tremor mit anderen, weniger invasiven Verfahren erzielen ließen.

MRgFUS: Mit Ultraschall Gehirnteile ausschalten

Im April 2018 haben Neurologen, Neurochirurgen und Radiologen des Universitätsklinikums Bonn ein neuartiges Gerät in Betrieb genommen, das so etwas zu leisten vermag. Es arbeitet mit Magnetresonanz-gesteuertem, hoch fokussiertem Ultraschall (MRgFUS) und ist die erste Apparatur dieser Art in Deutschland.

Von außerhalb des Schädels senden 1024 Sonden Ultraschallwellen aus, die sich in einem einzigen Punkt wie durch ein Brennglas präzise bündeln lassen. Wo dieser nur zwei Millimeter große, für den Tremor verantwortliche Punkt im Gehirn liegt, lässt sich mithilfe eines Kernspintomographen extrem genau festlegen. Während jede einzelne Ultraschallwelle absolut harmlos ist, führt die Bündelung zu einem eng umgrenzten Temperaturanstieg auf bis zu 60 Grad Celsius. Das genügt, um das Gewebe dieser winzigen Hirnregion gezielt zu denaturieren und damit außer Gefecht zu setzen.

Ähnliche Geräte, die ebenfalls mit MRgFUS arbeiten, kennt man in der Medizin bereits zur Behandlung von Myomen in der Gebärmutter. Für die Behandlung von Tremor laufen die ersten Behandlungsversuche seit 2014.

Die Vorteile des MRgFUS

Der Hauptvorteil des neuartigen Verfahrens ist, dass es keine operative Eröffnung des Schädels erfordert. Zudem muss man keine Elektroden im Gehirn platzieren und benötigt keinen Schrittmacher.

Ein weiterer Vorteil: Bleibt man unterhalb der Denaturierungstemperatur, lassen sich die Hirnareale nur vorübergehend ausschalten. So kann man testen, ob diese reversible Hemmung an dieser Stelle etwas bringt oder ob man die Lokalisation erst noch nachkorrigieren muss. Denn der Patient bekommt von dem praktisch schmerzlosen, nicht invasiven Eingriff nichts mit und ist während des Verfahrens wach. So lässt sich leicht beurteilen, ob man die richtige Stelle gefunden hat und der Tremor verschwindet.

Der Nachteil: Hat man diese Hirnregion mit höherer Temperatur außer Gefecht gesetzt, ist dieser Schritt irreversibel – im Gegensatz zum Hirnschrittmacher, der das Gehirn nicht verletzt und der sich jederzeit abschalten oder entfernen lässt.

Studienteilnehmer gesucht!

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) war dieser neuartige Ansatz bisher bereits mehr als eine Million Euro wert.

Das Team des Universitätsklinikums Bonn sucht noch Studienteilnehmer, um die Effektivität dieser neuartigen Behandlungsmethode zu klären. Dafür kommen Menschen mit schwerem Parkinson-Tremor oder schwerem essenziellen Tremor infrage, bei denen die medikamentöse Therapie nicht weiterhilft oder schwerwiegende Nebenwirkungen verursacht.

Weitere Informationen zu dieser Studie sind bei der Assistenzärztin Frau Veronica Purrer von der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Bonn erhältlich (veronica.purrer@ukbonn.de).

Deutschlandweit erstes Gerät für Magnetresonanz gesteuerten hoch fokussierten Ultraschall bei essentiellen Tremor oder Parkinson-Tremor am Uniklinikum Bonn:

von links: Radiologe PD Dr. Claus Christian Pieper, Direktor der Radiologie Prof. Hans Schild, Neurochirurg Dr. Valeri Borger, stellv. Direktor der Neurologie Prof. Ulrich Wüllner, Assistenzärztin in der Neurologie Veronika Purrer und Prof. Henning Boecker, Leiter der Klinischen Funktionellen Neurobildgebung; © Johann Saba / UK Bonn.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  1. Besprochene Pressemitteilung der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität Bonn:
    Mit gebündelten Schallwellen erfolgreich gegen Zittern
    Link
    .
  1. Schlesinger I, Eran A, Sinai A, Erikh I, Nassar M, Goldsher D, Zaaroor M.
    MRI Guided Focused Ultrasound Thalamotomy for Moderate-to-Severe Tremor in Parkinson’s Disease.
    Parkinsons Dis. 2015;2015:219149. doi: 10.1155/2015/219149. Epub 2015 Sep 2. PDF.
  1. Magara A, Bühler R, Moser D, Kowalski M, Pourtehrani P, Jeanmonod D.
    First experience with MR-guided focused ultrasound in the treatment of Parkinson’s disease.
    J Ther Ultrasound. 2014 May 31;2:11. doi: 10.1186/2050-5736-2-11. eCollection 2014. PDF.
  1. Dobrakowski PP, Machowska-Majchrzak AK, Labuz-Roszak B, Majchrzak KG, Kluczewska E, Pierzchała KB.
    MR-guided focused ultrasound: a new generation treatment of Parkinson’s disease, essential tremor and neuropathic pain.
    Interv Neuroradiol. 2014 May-Jun;20(3):275-82. doi: 10.15274/NRJ-2014-10033. Epub 2014 Jun 17. Review. PDF.