Neben motorischen Störungen zeichnet sich Parkinson durch zunehmende kognitive Defizite und nachlassendes Erinnerungsvermögen aus. Wissenschaftler aus Göttingen und Lissabon konnten erstmals zeigen, dass eine Interaktion der beiden Proteine α-Synuclein und Prionprotein PrPC dies verursacht. Dass beide etwas mit Parkinson zu tun haben, ist schon lange bekannt, aber die Erkenntnis über das direkte Zusammenwirken eröffnet neue therapeutische Möglichkeiten – auch für andere Erkrankungen des Nervensystems.
Was weiß man über α-Synuclein und Prionprotein?
Parkinson gehört zu den Synucleinopathien, neurodegenerativen Krankheiten, zu denen auch Alzheimer und Multisystematrophie zählen. Bei diesen findet man Veränderungen des SNCA-Gens, welches für das Protein α-Synuclein codiert. Als Folge solcher Punktmutationen verändern α-Synucleinmoleküle leichter ihre dreidimensonale Struktur. Dadurch bilden sie Aggregate und setzen sich letztlich als charakteristische Lewy-Körperchen ab. Solche Ablagerungen führen zu Fehlfunktionen bei der Informationsübertragung zwischen Nervenzellen.
Ganz ähnlich sieht es mit dem Prionprotein aus. Normalerweise bildet das PRPNP-Gen eine Form, die man als zelluläres Prionprotein PrPC bezeichnet. Seine Funktion ist noch nicht genau bekannt, man weiß aber, dass es mit Geruchssinn und Langzeitgedächtnis zu tun hat. Bei einigen neurodegenerativen Erkrankungen findet man eine veränderte Molekülstruktur, die man wegen des Auftretens bei der Traberkrankheit (Scrapie) von Schafen als PrPSc bezeichnet.
Kein Bakterium, kein Virus: Prionen als infektiöse Proteine
Als man 1966 den auslösenden Faktor von Scrapie suchte, wunderten sich die beteiligten Forscher, dass es sich dabei weder um ein Bakterium noch einen Virus, sondern offenbar um ein Protein handelte [2]. Die erste Veröffentlichung wurde von der Fachwelt belächelt und nicht wirklich ernst genommen. Dass Bakterien und Viren infektiös sind und Krankheiten hervorrufen können, bezweifelte seit Robert Koch und Louis Pasteur niemand mehr. Aber Eiweiße als Krankheitserreger?
Wie bei den Vätern der Bakteriologie sollte es eine Weile dauern, bis sich Wissenschaftler mit den neuen Erkenntnissen anfreunden konnten. Das war Anfangs der 1980er Jahre der Fall, als in Großbritannien verhaltensauffällige Kühe mit Rinderwahn auftraten, nachdem man sie mit Tiermehl aus Scrapie-erkrankten Schafen gefüttert hatte. Die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) gehört wie die menschliche Variante Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJK) zu den spongiformen Enzephalopathien (TSA). Das sind übertragbare Erkrankungen, die sich durch Degeneration und fortschreitende schwammartige Veränderungen des Gehirns auszeichnen.
Von Rinderwahn, Parkinson und fehlgefalteten Proteinen
Genau kennt man den Pathomechanismus der PrPSc-Moleküle bis heute nicht. Man nimmt an, dass die falsch aufgefalteten Proteine andere „infizieren“ und so beeinflussen, dass sie ebenfalls ihre dreidimensionale Struktur ändern. Man spricht hier von einem proteinous infectious particle, einem Prion. Davon ist weder das codierende Gen in der DNA betroffen noch die Aminosäuresequenz des fertigen Proteins, sondern nur die dreidimensionale Struktur: PrPC besteht vorwiegend aus schraubenförmigen α-Helices, PrPSc aus β-Faltblättern.
Ganz ähnlich sieht es mit dem α-Synuclein aus. Auch hier ist die dreidimensionale Struktur bei neurodegenerativen Erkrankungen so verändert, dass es zu Ansammlungen und dadurch zu Fehlfunktionen der betroffenen Nervenzellen kommt. Ähnliches gilt für β-Amyloid und das Protein tau, die mit ihren Ablagerungen ebenfalls für neurodegenerative Erkrankungen typisch sind.
Die Konformationsänderung hat weitreichende Folgen: Die Proteine werden dadurch sehr stabil gegenüber physikalischer und chemischer Denaturierung und entziehen sich so dem Abbau durch zelleigene Enzyme. Das erklärt ihre Ansammlung und die Bildung von Aggregaten und noch größeren Ablagerungen wie Neurofibrillen, Lewy-Körperchen oder Plaques aus β-Amyloid.
Was haben α-Synuclein und Prionprotein PrPC miteinander zu tun?
In den letzten Jahren zeigte sich, dass kleinere Aggregate (Oligomere) all dieser an β-Faltblättern reichen Proteine an das Prionprotein PrPC binden können, so auch Oligomere des α-Synucleins (Reviews siehe [3,4]). Welche Auswirkungen eine solche direkte Interaktion bei Parkinson hat, fanden Forscher aus Göttingen und Lissabon unter der Leitung von Prof. Tiago Outeiro von der Abteilung für Experimentelle Neurodegeneration der Universitätsmedizin Göttingen kürzlich heraus. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im November 2017 in der renommierten Zeitschrift Nature Neuroscience [1].
Interaktion von α-Synuclein und Prionprotein PrPC verursacht Gedächtnisverlust bei Parkinson
Dazu rekonstruierten die Forscher akribisch den Signalweg, der auf die Interaktion von PrPC und α-Synucleinoligomeren folgt. In einem Mausmodell der Parkinson-Erkrankung zeigten sie, das die Wechselwirkung über den Glutamatrezeptor (mGluR5) in der Zellmembran von Nervenzellen vermittelt wird. Glutamat ist einer der wichtigsten Botenstoffe im Gehirn und an zahlreichen Signalübertragungen beteiligt.
In der Folge kommt es zu einer Aktivierung der Tyrosinkinase Fyn, die den Calciumgehalt von Zellen reguliert, und des NMDA-Rezeptors 2B (NMDAR2B oder GRIN2B), der den Neurotransmitter Glutamat bindet. Von NMDAR2B ist bekannt, dass er für die Vermittlung mentaler Fähigkeiten wichtig ist.
Am Ende der Signalkaskade kommt es zu einer Fehlregulation der Calciumhomöostase in den Synapsenendköpfchen. Calciumionen sind essenziell für die Ausschüttung der Botenstoffe (Neurotransmitter), die die Signale zur nachfolgenden Nervenzelle übertragen. Die beeinträchtigte Kommunikation führt zu den für Parkinson typischen kognitiven Defiziten und Beeinträchtigungen des Erinnerungsvermögens.
Kann man Parkinson verhindern oder rückgängig machen?
Auch wenn das zurzeit noch Zukunftsmusik ist: Im Mausmodell ist so etwas durch die Blockierung des nachgeschalteten Signalweges mittels Genmanipulation oder durch den Einsatz von Antikörpern bereits möglich. Die neuen Erkenntnisse über die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen eröffnen völlig neue Aspekte in der Therapie von Parkinson, der bisher als nicht heilbar gilt und ermöglichen gegebenenfalls sogar eine Prophylaxe gegen den Ausbruch der Erkrankung.
Zudem zeigt diese Untersuchung erstmals, dass α-Synuclein-Oligomere über eine relativ simple rezeptorvermittelte Reaktion eine Signalkaskade auslösen und zu einer Beeinträchtigung der Kommunikation zwischen Nervenzellen führen. Das ist nicht nur für Parkinson bedeutsam, sondern auch für andere α-Synucleinopathien wie Alzheimer.
Quellen, Links und weiterführende Literatur
1. Originalpublikation:
Ferreira DG, Temido-Ferreira M, Vicente Miranda H, Batalha VL, Coelho JE, Szegö ÉM, Marques-Morgado I, Vaz SH, Rhee JS, Schmitz M, Zerr I, Lopes LV, Outeiro TF.
α-synuclein interacts with PrPC to induce cognitive impairment through mGluR5 and NMDAR2B.
Nat Neurosci. 2017 Nov;20(11):1569-1579. doi: 10.1038/nn.4648. Epub 2017 Sep 25. PMID: 28945221.
2. Alper T, Haig DA, Clarke MC.
The exceptionally small size of the scrapie agent.
Biochem Biophys Res Commun. 1966 Feb 3;22(3):278-84. No abstract available. PMID: 4957205
3. Urrea L, Ferrer I, Gavín R, Del Río JA.
The cellular prion protein (PrPC) as neuronal receptor for α-synuclein.
Prion. 2017 Jul 4;11(4):226-233. doi: 10.1080/19336896.2017.1334748. Epub 2017 Jul 31. PMID: 28759332.
4. Lassen LB, Reimer L, Ferreira N, Betzer C, Jensen PH.
Protein Partners of α-Synuclein in Health and Disease.
Brain Pathol. 2016 May;26(3):389-97. doi: 10.1111/bpa.12374. Review.