Fahrradfahren trotz Parkinson: Aktuelle Studie eröffnet neue Therapiemöglichkeiten

Bei rund der Hälfte der Parkinson-Patienten tritt das Freezing of gait-Phänomen auf: Von einer Sekunde auf die andere ist kein Weitergehen möglich. Ein solches Erstarren erfolgt bei vollem Bewusstsein, dauert mehrere Sekunden und ist für den Betroffenen nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich. Denn schon das Überqueren der Straße wird unversehens zum Risiko. Sonderbar: Wie andere Parkinson-Patienten können auch die mit Freezing problemlos Fahrrad fahren. Sogar im Endstadium, in dem sonst kaum noch eine Bewegung möglich ist.

Wie kommt es zum Freezing?

Neurowissenschaftler der Universitätsklinik Düsseldorf haben mit Kollegen aus Konstanz und Aarhus eine Studie veröffentlicht, die eine Erklärung dieses Phänomens liefern könnte. Die Arbeitsgruppe um Prof. Alfons Schnitzler verglich die Hirnaktivitäten von Parkinsonpatienten beim Gehen und beim Fahrradfahren. Dabei nutzten sie die Elektroden von Hirnschrittmachern, die sie zu therapeutischen Zwecken in das Gehirn eingepflanzt hatten.

Hirnschrittmacher geben Aufschluss über Gehirnaktivitäten

Ein solcher Hirnschrittmacher besteht aus zwei Elektroden im rechten und linken Nucleus subthalamicus des Gehirns. Hinzu kommt ein Steuergerät im Brust- oder Bauchbereich. Ähnlich wie ein Herzschrittmacher dient er der Stimulation des umliegenden Gewebes durch leichte elektrische Ströme (tiefe Hirnstimulation). Umgekehrt können mit den Elektroden Hirnströme abgeleitet werden.

Damit war eine Untersuchung der Aktivität der Basalganglien möglich. Diese Nervenknoten bilden in ihrer schwarzen Substanz (Substantia nigra) den Botenstoff Dopamin, der für die Signalübertragung zwischen Nervenzellen zuständig ist. Dieser ist für die Feinabstimmung von Bewegungen zuständig und fehlt durch die Basalganglien-Degeneration bei Parkinson.

Ein Störsignal führt zum Einfrieren und eröffnet therapeutische Möglichkeiten

Schnitzler und seine Kollegen fanden heraus, dass dieser Dopaminmangel zu veränderten Hirnströmen führt. Diese liegen im sogenannten ß-Band zwischen 13 und 35 Hertz. Beim Freezing tritt zusätzlich ein gesondertes Signal bei 18 Hertz auf. Durch Fahrradfahren wird dieses Störsignal deutlich unterdrückt.

Wie das 18 Hertz-Signal zum Einfrieren führt, ist noch ungeklärt. Aber die Erkenntnis ermöglicht einen vielversprechenden Therapieansatz. Forschungen hatten schon vorher ergeben, dass Fahrradfahren bei Parkinson einen nachweisbaren positiven Effekt hat. Das gilt sowohl für „Freezer“ als auch „Nicht-Freezer“. Die Forscher vermuten, dass die regelmäßigen Bewegungen das erkrankte Gehirn stimulieren und wieder in Takt bringen.

Quelle:
Storzer L, Butz M, Hirschmann J, Abbasi O, Gratkowski M, Saupe D, Vesper J, Dalal SS, Schnitzler A (2017): Bicycling suppresses abnormal beta synchrony in the Parkinsonian basal ganglia. Ann Neurol. 82(4): 592-601.